Die DSGVO schützt nicht nur Verbraucher, sondern auch die datenschutzrechtlichen Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Im Berufsleben ist der Datenschutz insbesondere dann von Bedeutung, wenn es darum geht, die eigenen Rechte und Pflichten im Beschäftigungsverhältnis zu ergründen. Dabei spielt das Auskunftsrecht des Beschäftigten über die Verarbeitung personenbezogener Daten gem. Art- 15 DSGVO gegen den Arbeitgeber die wohl größte Rolle. Macht der Beschäftigte nämlich von diesem Recht Gebrauch, muss der Arbeitgeber sämtliche gespeicherte Informationen über den Beschäftigten offenlegen. Der Auskunftsanspruch gegen den Arbeitgeber ist aber nicht immer einfach durchzusetzen, vor allem dann nicht, wenn der Arbeitgeber eine Auskunftserteilung pauschal mit der Begründung ablehnt, dass entgegenstehende Interessen Dritter geschützt werden müssten.
Doch wie weitreichend ist das Auskunftsrecht des Arbeitnehmers, wenn möglicherweise noch der Schutz Dritter gewährleistet werden muss? Mit dieser Frage hat sich das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden Württemberg beschäftigt und damit einen Konflikt zwischen dem Schutz von Whistleblowern und dem Einsichts- und Auskunftsrecht von Arbeitnehmern losgelöst.
Auskunftsanspruch vs. Schutz von Whistleblowern
Der Kläger, Führungskraft in der Rechtsabteilung eines deutschen Fahrzeugherstellers mit Sitz in Stuttgart, hatte während des bestehenden Arbeitsverhältnisses mit seinem Arbeitgeber mehrere Auseinandersetzungen. Nach Aussprüchen von Änderungskündigungen, einem fruchtlosen Mediationsverfahren und mehreren Abmahnungen wurde schließlich dem Kläger wegen Minderleistung gekündigt, nachdem auch eine interne Compliance-Ermittlung gegen diesen durchgeführt worden war.
Der Kläger wandte sich im Rahmen einer Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung und verlangte zugleich Auskunft über die bei der Beklagten über ihn gespeicherten Leistungs- und Verhaltensdaten, sowie Einsicht in die sog. BPO-Akte (Business Practices Office), in der die Ergebnisse der internen Compliance-Ermittlung dokumentiert waren. Er stütze sich dabei auf seinen Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO.
Der Arbeitgeber wandte sich jedoch im Berufungsverfahren gegen das Einsichtsrecht. Er berief sich auf das Geheimhaltungsinteresse und seine Verpflichtung, die Anonymität der „Whistleblower“, also Personen, die bei der Compliance-Ermittlung Auskünfte über den Kläger lieferten, zu wahren.
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Baden-Württemberg (17 Sa 11/18)
Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg gab dem Kläger Recht und bestätigte das Einsichtsrecht in die BPO-Akte. Nach dem herrschenden rechtlichen Verständnis sei eine Personalakte jede Sammlung von Unterlagen, die mit dem Arbeitnehmer in einem inneren Zusammenhang steht. Dadurch, dass sich die Beklagte ausdrücklich auf das in der BPO-Akte dokumentierte Fehlverhalten des Klägers berufen hat, ist jedenfalls damit der erforderliche innere Zusammenhang gegeben. Ein pauschaler Verweis auf die Schutzbedürftigkeit der Whistleblower sei dabei als berechtigtes Interesse für die Verweigerung der Einsichtnahme durch den Kläger nicht ausreichend, zumal die Anonymität der Whistleblower auch durch Unkenntlichmachung entsprechender Passagen in der BPO-Akte gewährleistet werden könnte. Das Einsichtsrecht des Klägers sei grundsätzlich unbeschränkt.
Außerdem verurteilte das LAG den Arbeitgeber, Auskunft über nicht in der Personalakte gespeicherte Leistungs- und Verhaltensdaten samt einer Kopie nach Art. 15 IV DSGVO herauszugeben. Eine Beschränkung der Auskunft sei zwar erlaubt (§ 34 I i.V.m. § 29 I 2 BDSG), allerdings nur, soweit dies durch Geheimhaltungsinteressen gerechtfertigt sei, was einer Interessenabwägung im Einzelfall bedarf. Diese Grenze zur Durchführung einer Interessenabwägung sei vorliegend nicht einmal erreicht worden.
Praxishinweis für Arbeitgeber im Zusammenhang mit Art. 15 DSGVO
Das Auskunftsrecht könnte in Zukunft bei Konflikten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verstärkt als Druckmittel benutzt werden. Bereits die Ankündigung Auskunft zu verlangen könnte die Abfindungslösung verteuern.
Die Unternehmen werden es zum einen schwer haben, Anonymität und Transparenz von Hinweisgebersystemen gleichermaßen zu gewährleisten. Zum anderen zeigt sich mit dieser Entscheidung auch die Sprengkraft des Art. 15 DSGVO, insbesondere mit dem Recht auf Herausgabe der Kopie der Daten. Besonders in konfliktbeladenen Arbeitsverhältnissen stellt es keine Seltenheit dar, dass in internen E-Mails oder Vermerken Bezug auf die Leistung und das Verhalten des Arbeitnehmers genommen wird. Es bleibt die Frage offen, was davon in welcher Form herauszugeben ist und ob die Herausgabepflicht unter einem Zumutbarkeitsvorbehalt steht. Das Urteil des LAG Baden-Württemberg schafft hier leider keine Klarheit, sodass weiterer Streit unausweichlich ist.
Fazit
Die Entscheidung des LAG Baden-Württemberg ist zwar nachvollziehbar, da ansonsten der Auskunftsanspruch in den meisten Fällen leerlaufen würde, indem Arbeitgeber pauschale Geheimhaltungsinteressen entgegenhalten. Dennoch stellt diese umfassende Auskunftspflicht Unternehmen vor einem großen praktischen Problem, denn der Umfang dieser Auskunft ist nicht beschränkt worden. Es wird daher eine Zunahme solcher Verfahren erwartet, die wir mit Spannung beobachten und worüber wir hier berichten werden.